„Ich trage das Optimismus-Gen in mir“

Seit mehr als drei Jahrzehnten zählt Manfred Kluge zu den prägenden Persönlichkeiten der Mediabranche. Bekannt ist der Chairman D-A-CH der Omnicom Media Group nicht nur für seine Media-Expertise sondern auch für sein weit über das Tagesgeschäft reichendes Engagement. Als Mitgründer der Initiative 18 setzt er sich für Medienvielfalt und Demokratie ein. Gemeinsam mit rheingold salon und #UseTheNews hat Initiative 18 das Projekt Zuversicht ins Leben gerufen, das die Deutschen wieder für Optimismus und Zusammenhalt begeistern will. Den Auftakt bildet eine Studie, die Politik, Wirtschaft und Medien dabei helfen soll, die Stimmung im Land zu drehen.

Interview: Cathrin Hegner

Kriege, Klimawandel, Trump, Inflation, Rechtspopulismus: Wie bewahren Sie sich angesichts der aktuellen Nachrichtenlage Ihre Zuversicht?

Manfred Kluge: Eine gute und faire Frage. Die Antwort darauf ist, ich bin grundsätzlich ein optimistischer Mensch. Auch wenn wir jetzt durch tiefe Täler gehen, gibt es ja nach wie vor viel Gutes. Von daher bringt es gar nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Man muss sich Gedanken machen, wie man seinen Beitrag dazu leisten kann, dass es wieder bergauf geht. Ich persönlich habe Halt durch Familie und Freunde, gute Inhalte, die mich von diesen mitunter erschütternden Entwicklungen ablenken. Und dann ist da natürlich noch mein persönlicher Zufluchtsort Südafrika, Natur und Tiere. Ein Land, das mich immer wieder mit viel positiver Energie auftankt.

Mit der Initiative 18 setzen Sie sich für vielfältige und unabhängige Medien als Basis unserer demokratischen Gesellschaft ein. Welche Rolle spielt Zuversicht für eine funktionierende Demokratie?

Kluge: Wir brauchen grundsätzlich mehr Zuversicht in diesem Land, weil wir gerade auf einem echten Stimmungstief sind. Die Studie, die wir gemeinsam mit rheingold salon und #UseTheNews initiiert haben, zeigt ein tiefes Misstrauen der Deutschen gegenüber Politik, öffentlichen Institutionen und auch Medien. Interessanterweise bewerten die Menschen ihre persönliche Situation besser als den Zustand des Landes. Mit dem Projekt Zuversicht wollen wir neue Impulse setzen und mithelfen, die Stimmung zu drehen. Dabei spielen unabhängige Medien und vertrauenswürdige Inhalte eine zentrale Rolle, gerade auf lokaler Ebene. Die Medien können Probleme vor Ort aufnehmen und mithelfen, Lösungen zu entwickeln. Dafür brauchen wir aber eine vielfältige Medienlandschaft mit vertrauenswürdigen Inhalten. Das ist ein zentrales Thema der Initiative 18, weshalb wir auch beim Projekt Zuversicht sofort mit an den Start gegangen sind. Wir alle können dazu beitragen, dass der Zusammenhalt in unserem Land gestärkt wird und der Optimismus zurückkehrt.

Die Deutschen haben schon einige Krisen erlebt und dennoch die Zuversicht nicht verloren. Warum ist die Stimmung gerade jetzt so schlecht?

Kluge: Wir haben eine Kombination verschiedener Krisen, wie es sie in den vergangenen 70 Jahren nicht gab. Es fing an mit der Pandemie, dann folgten der Ukraine-Krieg, die Energiekrise und hohe Inflationsraten. Der Zustand unseres Landes macht viele Menschen betroffen: Die marode Infrastruktur, der Digitalisierungsgrad, die Probleme bei der Bildung. Und auf all das setzt sich aktuell noch eine Wirtschaftskrise. Dazu kommt ein Thema, das wir auch mit der Initiative 18 regelmäßig adressieren: Mittlerweile wird Social Media dazu benutzt, die Polarisierung der Gesellschaft voranzutreiben und die Stimmung extra schlecht zu machen. Desinformationskampagnen werden lanciert, Politiker verunglimpft, Falschnachrichten verbreitet. Das alles ist grundsätzlich schon ein ganz schwer zu verdauender Cocktail. Deshalb heißt es jetzt umso mehr, die Ärmel hochzukrempeln und etwas zu tun. Die Basis ist noch unglaublich stark. Uns geht es in Deutschland noch unglaublich gut. Wir müssen das Bewusstsein dafür wieder stärken. 

Zwei Drittel der Deutschen fühlen sich von System und Politik allein gelassen und nur zehn Prozent glauben, dass sie in Deutschland überhaupt etwas beeinflussen oder bewirken können.

Kluge: Wir sehen aber auch, dass die Menschen wieder selbstwirksam sein wollen. Sie wollen etwas bewegen, in der Gemeinschaft konkrete Ziele verfolgen und ihren Beitrag leisten. Wenn es uns gelingt, dieses Pfund zu aktivieren, dann wird hoffentlich wieder ein erster positiver Ruck durch Deutschland gehen.

Welchen Beitrag können Politik, Wirtschaft und Medien leisten?

Kluge: Die Politik kann erst einmal anfangen, Versprechen einzuhalten. Was im Wahlkampf zugesichert wurde, muss nun auch umgesetzt werden. Die Politiker sollten auch die Impulse aus unserer Studie aufnehmen, wieder mehr Selbstwirksamkeit ermöglichen und die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger am politischen Geschehen ausbauen. Wir brauchen auch eine Stärkung des lokalen Journalismus, weil im Sterben lokaler und regionaler Medien aktuell die größte Gefahr für die Meinungsvielfalt besteht. Aufgabe der Medien ist es, vor Ort zuzuhören, die Themen aufzugreifen und auf eine konstruktive Art und Weise öffentlich zu machen. Die Menschen haben es satt, nur negative Schlagzeilen und Berichte zu sehen.

So viel Positives gibt die aktuelle Nachrichtenlage halt nicht her.

Kluge: Natürlich kann man die Dinge nicht schöner darstellen als sie sind. Aber ich würde mir wünschen, dass Journalistinnen und Journalisten, wenn sie eine Situation beschreiben, die nicht gut ist, auch erste Gedanken mit in die Diskussion geben, die Lösungen aufzeigen. Ich denke, die Medien tragen hier eine große Verantwortung. Sie können wieder mehr positive Impulse geben. Auch deshalb ist es wichtig, die Medienvielfalt zu erhalten.

Welche Erkenntnisse können Mediaagenturen und Werbungtreibende für ihre Arbeit nutzen?

Kluge: Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass erfolgreiche Marken eine vielfältige Medienlandschaft brauchen und wir auch den lokalen Journalismus schützen müssen. Wir können uns einbringen, indem wir unsere Kunden dahingehend sensibilisieren und beraten. Die Werbungtreibenden können auch in ihren Kampagnen wieder mehr Optimismus und Zuversicht transportieren. Unsere Studie zeigt, dass die Menschen sich nach Gemeinschaft sehnen und gemeinschaftlich etwas bewegen wollen. Auch dieses Gefühl lässt sich gut über Werbebotschaften und Markenpositionierung vermitteln.

Zuversicht, Mitgefühl, Haltung, Respekt – das wollen die meisten zum Leitfaden ihres Wirkens machen. In der wirtschaftlichen Realität scheitern aber viele daran, Anstand und Geldverdienen unter einen Hut zu bringen. Geht das überhaupt?

Kluge:  Ich würde davor warnen, hier ein schwarz-weißes Bild zu malen. Auch denjenigen, die jetzt sagen, der wirtschaftliche Erfolg der Company ist im Zweifel wichtiger als das eine oder andere Haltungsthema, muss man zugestehen, dass auch der Erhalt eines Unternehmens wichtig ist. Arbeitsplätze müssen gesichert werden, und es ist auch wichtig, dass diejenigen, die in diese Firma investiert haben, einen Return bekommen. Es ist immer relativ einfach, die Haltungskeule auszupacken. Ich glaube, man muss auch versuchen, Verständnis aufzubringen für die Situation, in der sich manche Unternehmen gerade befinden. Ich persönlich denke allerdings, dass es nicht förderlich ist, wenn Themen wie Diversität, Gleichstellung und Inklusion jetzt quasi auf Druck abmoderiert werden. Ich würde mir wünschen, dass man an dieser Stelle Haltung zeigt, und diese auch in die Fortsetzung der Aktivitäten münden lässt.

In den USA wütet Trump gegen Minderheiten, große Unternehmen wie McDonald’s, Walmart, Ford, Meta und Amazon drehen ihre Diversitätsprogramme zurück oder schaffen sie komplett ab. Fürchten Sie, dass sich dieser Trend auch in Deutschland durchsetzt?

Kluge: Ich bin guter Dinge, dass wir in Deutschland und in vielen anderen europäischen Staaten, die Uhr bei Themen wie Inklusion, Gleichstellung und Diversität nicht zurückdrehen werden, weil unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft nur Vorteile davon hat. 

Trotz aller Lippenbekenntnisse stützen deutsche Unternehmen seit Jahren den Aufstieg der US-Tech-Milliardäre mit ihren Werbeausgaben. Einer vielfältigen Medienlandschaft schadet das genauso wie der Wirtschaft. Was können Allianzen wie die Initiative 18 und das Projekt Zuversicht hier ausrichten?

Kluge: Uns war von Anfang an klar, dass wir einen Marathon laufen müssen. Aber wenn man bedenkt, dass die Initiative 18 erst vor einem Jahr offiziell als Verein gestartet ist, kann sich unsere Bilanz schon sehen lassen. Wir haben eine Menge Awareness geschaffen. Es gibt in Deutschland heute praktisch kein Industrie-Summit mehr ohne das zentrale Thema Verantwortung. Wir haben mit der werbungtreibenden Wirtschaft gemeinschaftlich Positionen erarbeitet. Und wir haben unsere Themen gemeinsam mit #UseTheNews und weiteren Verbänden in die Koalitionsverhandlungen eingebracht, sodass jetzt die Stärkung der Medienvielfalt explizit als Ziel im Koalitionsvertrag steht. Das alles sind gute Entwicklungen, zu denen die Initiative 18 schon einen Beitrag leisten konnte. Wir werden unsere Arbeit fortführen und im Sommer mit einer Kampagne noch öffentlichkeitswirksamer werden. Wir werden weiter Gespräche mit den Stakeholdern führen, um gerade auf Unternehmensseite noch stärker zu sensibilisieren. Natürlich ist das wirtschaftliche Umfeld schwierig, aber ich bin sicher, dass es uns allen gelingen wird, die Stimmung zu drehen. Ich trage das Optimismus-Gen in mir und bin schon deshalb guter Dinge, dass wir das gemeinsam wieder hinbekommen werden.

In den vergangenen Jahren war Effizienz in vielen Mediaplänen wichtiger als die Marke. Der kurzfristige ROI stand über allem. Nun haben einige Unternehmen ein Umdenken in Richtung Branding angekündigt. Glauben Sie an ein Comeback der großen Geschichten und der Medien, die sie erzählen?

Kluge: Daran glaube ich. Natürlich ist der klassische Funnel heute zu einem Individual-Funnel geworden, der immer ganz unterschiedlich aussieht. Aber die alten Säulen des Marketings stehen nach wie vor. Man muss in der Regel erst einmal Bekanntheit und Begehrlichkeiten schaffen, um dann Abverkäufe auslösen zu können. Daran ändert sich für die meisten Hersteller nichts, gerade wenn sie in einem beinharten Wettbewerb stehen und die gleichen Produkte anbieten. Das Performancemarketing funktioniert im Grunde wie eine Sanduhr: Wer zu weit optimiert, hat am Ende einen super Cost per x aber kein Volumen mehr dahinter. Dann muss man die Sanduhr umdrehen und in die Breite kommunizieren, damit man wieder Leute in den Funnel bekommt. Ich denke, viele Firmen haben sich in den vergangenen Jahren verkalkuliert und sich zu wenig um ihre Marken gekümmert.

Glauben Sie, dass Anstand, Haltung und Bauchgefühl angesichts der angespannten Wirtschaftslage überhaupt noch einen Einfluss auf Media-Entscheidungen haben?

Kluge:  Ich denke, wir brauchen eine Kombination aus Bauchgefühl, gesundem Menschenverstand und belastbaren Fakten. Wir leben in einer extrem komplexen und fragmentierten Welt – da ist es schon wichtig, ein Dashboard zu haben, um zu sehen, wie sich einzelne Parameter entwickeln. Aber Zahlen sind nicht alles. Man darf nicht nur an das glauben, was man hingelegt bekommt. Man muss immer wieder einen kritischen Blick auf den Sinn und die Ziele hinter allem werfen.

Blicken Sie insgesamt eher mit Zuversicht oder mit Skepsis in die Zukunft der Mediabranche?

Kluge: Ich sehe weiter mit Zuversicht auf unsere Branche, auch wenn der Gegenwind stärker geworden ist. Die Mediaagenturen wurden in den vergangenen 25 Jahren schon mindestens fünfmal für tot erklärt. Aber zur Wahrheit gehört, dass wir eine enorme Innovationskraft besitzen, neue Entwicklungen sowie eine komplexer werdende Medienlandschaft schnell antizipiert und unseren Scope of Work dramatisch erweitert haben. Die Mediaagenturen werden mehr denn je gebraucht – als Berater genauso wie für effiziente und effektive Umsetzungen. Ich bin zuversichtlich, dass wir weiterhin einen festen Platz in der Kommunikationslandschaft haben werden.